CTS 84.1642: Der Schlaz Heft 42,
Februar 1984, pp 36-45
"Schwarzmooskogelforschungen Herbst 1983"
Franz Lindenmayr
Ausgelöst von der Entdeckung der riesigen Schneevulkenhalle im Schwarzmooskogel/Totes Gebirge durch einige Nürnberger Höhlenforscher und mich setzen im Herbst intensive Weiterforschungen in diesem Gebiet ein. Die Ergebnisse sind so bedeutend, daß noch mit großen Überraschungen in den nächsten Jahren gerechnet werden muß.
Mitte September 1983 unternahm Wilfried Lorenz zusammen mit drei anderen Höhlenforschern aus Nürnberg eine Wochendtour, um zu photographieren und nach neuen Fortsetzung Ausschau zu halten. Auf Anhieb hatten sie Erfolg. Am tiefsten Punkt der Schneevulkanhalle, der nur über einen weiteren 30-m-Schrägabstieg über zum Teil sehr steiles Eis zugänglich ist, stellten sie fest, daß hier nicht Schluß war, sondern daß durch einen schmalen offenen Spalt zwischen Decke und Boden der kalte Wind strich. Mit allem Möglichen wurde der lockere Lehmboden weggekratzt, um einen Durchschlupf zu schaffen. Zum Glück war die verschlämmte Strecke nur ca. 2 m lang. Dahinter öffnet sich sofort eine kleine Halle mit ebenem Lehmboden. Die Fortsetzung führt nun in einer Röhre im weißen Kalk nach oben. Unberührte Tropfsteine säumen den Weg. Kleine Schachträume zwingen zu Klettereien hinauf und hinunter. Je weiter man hinauf kommt, desto mehr nehmen die Dimensionen ab. Dann wechselt der Charakter wieder. Ein Abstieg in einen Canyon führt in einen brunnenartigen Topf, der auf der anderen Seite wieder erstiegen werden muß. Hier setzt ein horizontaler Gang an, der in größere Kammern und Hallen führte. Hier drehten die Nürnberger um.
Am 23-25 September fand das nächste Unternehmen statt. Wilfried hatte mir am Telefon von dem Erfolg der letzten Tour erzählt und mich damit ganz heiß gemacht. Schließlich waren wir im August mit dem Bewußtsein weggegangen, daß es eigentlich nirgends aus der Halle weiterging. Als Treffpunkt wurde die Loserhütte vereinbart.
Aus München kamen Oliver Pirner, Reinhard Wagner und ich, aus Nürnberg, Wilfried Lorenz, Monika und Gerhard Lorenz, Reinhard Lemmer, Heinz Stenzel, Bernhard Nerreter, Christine Wieloch und zwei weitere Nürnberger (?). Wir Münchner waren längst zu Bett gegangen, als kurz vor Mitternacht unsere Nürnberger Freunde dir Tür zu der so weit von unserer Alltagswelt gelegenen Loserhütte öffneten.
Am nächsten Morgen war es noch dunkel, als wir aufstanden, das vorbereitete Frühstück wurde bereits in der Dämmerung eingenommen und als wir am Loserparkplatz die Rucksäcke zum Abmarsch bereitmachten, kam die Sonne über der Trisselwand empor. Über dem Tal hing noch eine weiße Nebelschicht, auf der sich das Dachsteinmassiv wie ein Bergdenkmal darüber abhob. Unsere Karawane löste sich, je weiter wir uns vom einsamen Parkplatz entfornten, immer mehr in kleine Einzelgruppen auf. Besonders drei von uns, Wilfried, Reinhard und eine junge Höhlenforscherin aus dem Frankfurter Raum, hatten schwer zu tragen. Sie wollten nämlich die folgende Woche auch noch bei der Höhle bleiben und weiterforschen. Oliver und ich machten bei der Abzweigung vom Stögerweg noch einen kurzen Abstecher. Ich wollte die Eingänge zum Stellerweg-/Schnellzughöhlensystem, das ja derzeit mit seinen 4 km Länge und knapp 900 m Tiefe noch die größte Höhle am Schwarzmooskogel darstellt, besichtigen. Da ich nur sehr vage Vorstellungen von der exacten Lage hatte, verließen wir prompt an der falschen Stelle den Weg. Unterhalb hatten wir, hinter Latschen versteckt, einen Schacht ausgemacht, der in eine tiefe, mit Schnee gefüllte Halle geführt hätte. Ohne Seil war da allerdings nichts zu machen. Ich hatte noch in Erinnerung, daß er Eingang in die Schnellzughöhle mit ihrem eisenbahntunnelähnlichen Eingangsteil ca. 100 m unterhalb des Stögerwegs liegen sollte. Deshalb stiegen wir über mehrere Steilstufen den mit Gras und Lärchen bewachsenen Hang hinunter. Links von uns schien ein Felskessel zu sein. Ich querte über ein steiles Grasband hinein und stand, wo wohl?, vor einem dreieckigen Höhleneingang. Kalter Wind strich heraus, die großen Gewächse im Eingang wurden von ihm bewegt. Der anschließende Gang hatte typischen Schwarzmooskogelcharakter. Die Deckenpartie bildet ein umgekehrtes U, das dann in zwei Dreiecksschenkel von je ca. 2 m Länge ausläuft. Am boden lag Feinschutt, der keinerlei Spur von einer eventuellen früheren Befahrung aufwies. Sollte es sich hier schon wieder um ein neues Objekt handeln? Auf dem Stögerweg stießen wir noch auf zwei stark bewetterte Höhlen, wovon eines das altbekannte Windloch war. Von der Stellerweghöhle selbst haben wir noch keine Spur gefunden.
Unsere Kameraden waren längst schon in der Latschenwildnis des Schwarzmooskogels verschwunden, als wir zwei bei den zurückgelassenen Rucksäcken wieder ankamen. Bei der "Weißen Warze" hatten wir eine halbe Stunde später die anderen wieder eingeholt. Ein Teil davon hatte sich beim langen Grasband verlaufen und den falschen Weg gewählt. Dabei sind sie bei der dritten großen Höhlen dieses eigentlich nur recht kleinen Gebietes durch Zufall vorbeigekommen, der Schwabenhöhle. Am Eingang fanden sie noch die üppigen Abfallspuren vergangener großer Forschungstage. Sie soll ca. 350 m tief sein.
Am Haupteingang in die Schwarzmooskogelhöhle wurde erst einmal Brotzeit gemacht, bevor es hinunter zu "unserer Neuentdeckung" ging. Eisschrauben kamen zur Befestigung des Abstiegsseils in die Schneevulkanhalle zum erstenmal zum Einsatz. Alles verlief reibungslos. Ich steuerte sofort mit Reinhard und Oliver auf den neuendeckten Gang zu. Erst mußte ein zweites Seil um eine Eisfigur geschlungen werden, dann war der Weg über die fast senkrechte Eiswand zu Beginn frei. An der Sohle hörte das Eis auf. Wir konnten die Steigeisen ausziehen. Ein winziges Oval an der hintersten Hallenseite, aus dem kalte Luft strich, schien die Fortsetzung zu sein. Bevor es da durchging, mußte jedoch noch harte Grabarbeit mit Händen und Füßen geleistet werden. Jenseits des Schlufes kam die kleine Halle mit ihrem unberührten Lehmboden, dann der schöne weiße Gang, dann der brunnenartige Schachtraum. Ich folgte Reinhard, der die jenseitige Wand schon wieder bezwungen hatte. Die Kletterei nach unten war leichter, als es anfangs ausgesehen hatte. Ich stand auf Schotterboden und wollte gerade wieder nach oben klettern, als von unten das seltsame Geräusch eines hinabgefallenen Steines drang. War vielleicht unter dem Boden, auf dem ich gerade stand, vielleicht noch ein Hohlraum? Vorsichtshalber trat ich schnell beiseite und hob einige Steine von Schuttboden auf. Tatsächlich, ein schwarzes Nichts gähnte da unten. Bevor ich weiter grub, band ich mich erst einmal an das Sicherungsseil, das Reinhard von oben herunter geschickt hatte. Eine viertel Stunde Arbeit war notwendig, um den einstmals "sicheren" Schachtboden in die Tiefe zu werfen und den Weg nach unten zu öffnen. Wohin, das weiß im Augenblick noch niemand. Da wir kein Schachtzeug dabei hatten, blieb die Fortsetzung ununtersucht. Dafür ging es auf der Normalroute großräumig weiter. Eine geräumige Halle mit viel Versturz folgte, dann ein Canyongang mit schneeweißen Wänden und gelbbraunen Verfärbungen, am Ende, allmählich kleiner werden, ein Gang, mit viel Versturz endend. Vermutlich sind wir hier gar nicht mehr weit von der Oberflache weggewesen, weil wir eine lebende Schnecke dort auf einem Stein gefunden haben.
Etwas enttäuscht kehrten Reinhard und ich um. Unterwegs wollten wir noch alle kleinen Seitengänge untersuchen. um sicher zu sein, daß wir nicht wiederkommen mußten. Ein prachtvoller Schluf zweigte rechtwinklig zum Hauptgangverlauf ab. Mühsam holten wir alle Steine heraus, kämpften uns so vorwärts, aber am Ende stocherte ich doch nur noch mit den Beinen in einem winzig kleinen Löchlein herum. Nur noch eine kleine Möglichkeit gab es. Bei den Röhren zweigte nach rechts ebenfalls noch ein niedriger Schluf ab. Ich kroch hinein und schon nach 5 m konnte ich aufrecht in der Parallelkluft stehen. Steil ging es in dem stetig größer werdenden Spalt mit reichem Sinter nach unten. Schließlich fehlte der Boden, weil er in einen kleinen Raum ausmündete. Reinhard kletterte nun voraus, brachte eine Reepschnur in zwei Sanduhren an und stieg hinunter. Ich folgte ihm. Dem folgenden, weiter steil nach unten ziehenden Gang konnten wir nur noch wenige Meter folgen, weil er zusehends senkrechter wurde und wir kein weiteres Material dabei hatten. Nur noch ein verlockender Blick in einem horizontalen Gang unten war möglich. Wir drehten um.
Zurück in der Schneevulkanhalle, hörten wir von den Unternehmungen unserer Kameraden. Sie waren in den Seitenspalt gleich neben unserem gestiegen und in einem 20 m hohen Canyon herauskommen, der schwierig zubefahren war. Die Photogruppe begann nun mit PF100, den glühbirnengroßen Blitzlampen, die Riesenhalle auszuleuchten. Währenddessen stiegen Bernhard und noch ein Nürnberger in den zweiten Seitenspalt im Eis ab, den wir nie richtig beachtet hatten. Das Ergebnis, das sie zurücksbrachten, war umwälzend. Ein 10-m-Eisabstieg führte zum Boden der Halle. Entlang einer 50 m langen Eiswand kamen sie in einen großen eisfreien Gang mit mehreren Abzweigungen. Und in diesem Gang fanden sie die Inschrift "Hütter 1938". Also waren hier schon einmal Menschen gewesen, und wir hatten letztlich nur die Fortsetzung der Schwarzmooskogeleishöhle gefunden. Besonders aufregend war ihr Bericht über eine stark bewetterten Seitengang, in den sie wegen Materialmangels nicht mehr absteigen konnten.
Die Nacht wollten wir in zwei Gruppen verbringen - Der Biwakgruppe am Höhleneingang und der Frischluftgruppe, die etwas oberhalb des Portals zwischen den Latschen schlafen wollte. In der Nacht verschlechterte sich das Wetter zusehends, gegen zwei Uhr brach ein starkes Gewitter herein. Blitze erhellten die schwarze Nacht, der kurz darauffolgende Donner weckte auch den tiefsten Schläfer auf. Es begann zu duschen. Innerhalb kürzester Zeit war unsere Frischluftgruppe unter dem Höhlendach versammelt. Mit etwas Zusammenrücken kamen alle 12 unter, Nummer 12 allerdings geisterte weiterhin umher. Das Regenwasser brauchte 3 Stunde bis es durch das ca. 5 m dicke Gesteinspaket über uns gesickert war. Dann begann es entlang einer Linie erst zu tröpfeln, später zu rinnen. Weitere Tropfstellen wurden aktiv. Langsam hatte keiner mehr eine trockene Liegestelle. Wir mußten gezwungenermaßen aufstehen. Reinhard drängte nach Hause, die anderen schlossen sich an, 9 Personen stolperten im strömenden Regen über glitschige Karren der Zivilisation wieder zu. 3 blieben zurück, sie errichteten eine Zeltplane, die ihnen für den Rest der Woche Schutz bieten sollte. Kaum war die Hauptgruppe zurück auf dem Parkplatz, verschwanden die Wolken, riß der Himmel auf, schien die Sonne und es begann eine einwöchige Schönwetterperiode.
Die Gruppe um Wilfried vermaß in der darauffolgenden Zeit den Gang in die Schwarzmooskogelhöhle, verlängerte die Außenvermessung zu den uns bekannten Extrempunkten des Systems, befuhr die im August gefundene Lamperlhöhle (die nur ein längst bekannter Eingang in die Schwarzmooskogelhöhle ist, wie sich später herausgestellt hat), den "Schacht unter der Lärche", der noch zu großen Hoffnungen Anlaß gibt, versuchte den oberen Eingang des Schneekegels der Schneevulkanhalle zu finden und entdeckte dabei die "Kuppelhöhle" und beendete diese Woche mit einer Besteigung des Dachsteins.
Allmählich sickerte die Nachricht von der Entdeckung der Riesenhalle im Schwarzmooskogel immer weiter durch. Es war, als hätte man einem Stein in einen unbewegten See geworfen, der nun immer größere Kreise hervorrief. Ursprünglich wollte auch Wilfried wieder mitfahren, aber es wurde bei ihm nichts daraus. Willi Hermann und Herbert Wimmer wollten diesmal mitkommen, außerdem noch Oliver Pirner und Mario Taucher, ein in München lebender Höhlenforscher aus dem Ausseer Land. Diesmal war vom 21 bis zum 23 Oktober 1983.
Am abend auf der Hütte waren wir anfangs die einzigen Gäste und durften in der wohligen Küche sitzen. Später kamen noch zwei trunkene Ausseer herauf. Zuletzt besuchte uns noch Karl Gaisberger. Er ist ja unser wichtigster Kontaktmann dort und ihm erzählte ich ausführlich vom neuesten Stand der Forschungen. Bis um halb drei Uhr früh hielten wir es aus.
Es wurde nur eine kurze Nacht, denn um 6 Uhr standen sie ersten bereits wieder auf. Ein furchtbares Schädelbrummen une eine eklige Übelkeit im Magen vom Zirbengeist und dem üppig genossenen Bier behinderten nicht nur bei mir den Tatendrang. Das wunderbare Herbstwetter wurde von einigen von uns nur durch einen inneren Nebel wahrgenommen. Zwei Ausseer Höhlenforscherkameraden kamen in der Frühe herauf, Hans Segl und Egon Pfusterer. Sie begleiteten uns in die Schwarzmooskogelhöhle, um die neuen Teile kennenzulernen. Gegen zehn Uhr standen wir vor dem Biwakplatz im Eingang der Schwarzmooskogelhöhle, machten erst noch einmal kräftig Brotzeit, um wieder zu Kräften zu kommen, und marschierten dann weiter hinunter zu Eingang "d". Inzwischen hatten wir herausgefunden, daß das notorische Wasserproblem durch die Nutzung der Schneevorkommen im Portal 2 (Spitzname Elefantena....loch) gut zu lösen war. Mittags stellten wir alle Töpfe, gefüllt mit Schnee, in die Sonne und abends hatten wir brauchbares Wasser.
Beim Riesenschneekegel in der Höhle fiel Mario auf, daß von oben Tageslicht hereinfiel. Er kletterte durch ein Loch nach oben und kam einige Zeit später erst wieder zurück. Es war ihm gelungen, bis zu einem Tagsschacht mit lotrecht dem Himmel entgegenziehenden Wänden vorzudringen. Ein Ausstieg war allerdings nicht möglich. Von der Schneevulkanhalle waren alle, die sie zum ersten Male sahen, sehr beeindruckt. Mich zog es jedoch gleich weiter. Schließlich war unser Ziel diesmal der ins Unbekannte führende Schacht in den Gängen, die wir das letztemal angefahren hatten. 3 Seile waren insgesamt nötig, um bis zum Ansatzpunkt für das Neuland zu kommen. Oliver klopfte erst einmal einen Spit platt, ehe Mario mit kurzen, schnellen Schlägen den endgültigen Befestigungspunkt setzte. Ich hatte die Ehre, vorauszugehen. Ein winziges Karbidflämmchen, das ich nicht einmal wieder anzünden hätte können, weil ich kein Feuerzeug dabei hatte, und eine fast ausgebrannte Taschenlampe waren meine einzigen Lichtquellen. 8 m ging es senkrecht hinunter in einen horizontalen Gang mit Schotterboden. Geradeaus schien der Gang nach 10 m durch große Versturzblöcke verlegt zu sein. Hinter mir war ein niedriger Schlufgang mit Lehmboden zu sehen. Spannend war der Trichter unmittelbar vor mir. Ich rutschte hinunter und löste dabei einige Kieselsteine los. Sie polterten durch ein kleines Loch im Bodem und waren erst nach einigen Sekunden wieder zu hören, als sie viel weiter unten aufschlugen. Erst nach einigem Graben war ein Blick hinunter möglich. Ein gut 8 m Durchmesser aufweisender großer Schacht führt senkrecht in der Tiefe. Man steht auf eingekeilten Versturzblöcken und verbackendem Konglomerat, das in der Decke dieses Abgrundes festgehalten wird. Je weiter ich das schmale Loch öffnete, desto unwohlerfühlte ich mich. Am liebsten hätte ich mich mit dem Yümar in das von oben kommende Seil eingehängt, um ein bißchen gesichert zu sein. Es wäre denkbar, daß alles plötzlich zusammenkracht und man 50 m tiefer erst wieder zum Halten kommt. Wegen dieser Probleme ließ ich auch bald die Finger von dieser Stelle und drehte lieber wieder um. Beim Rückweg sah ich auch zum ersten Male in den Röhrengängen die vielen vielen toten Spinnen, weshalb jetzt diese Zone Spinnenfriedhof heißt.
Herbert und ich machten zum Schluß, als alle anderen längst schon wieder die Höhle verlassen hatten, noch einige Aufnahmen von dem nun schon beinah vollkommen abgebauten, nur noch stumpf wirkenden Höhleneis und verließen erst als es draußen schon tiefe Nacht war das Loch. Trotzdem war es nicht dunkel. Der vollmond leuchtete so hell, daß ein Rückweg ohne leuchtende Karbidlampe möglich war.
Beim Biwak merkten wir, daß Willi Hermann fehlte. Er war noch in den engen Eingangsschluf von Eingang "D" hinein, aber als er schon ganz durch war und nur noch eine Stufe von 1,50 m hinabgemüßt hätte, entdeckte er offenbar erst, daß er eine gebrochene Rippe von früher her er sich verlaufen? In der Nacht in diesem Gelände jemanden zu suchen, kann man bleiben lassen. Er gibt einfach viel zu viele Löcher in denen man verschwinden kann, ohne daß einen für lange Zeit jemand finden wird. Herbert fiel schließlich auf, daß Willis Rucksack nicht mehr da war. Offenbar war auch er, ähnlich wie unsere drei Ausseer Kameraden, auf dem Rückweg. Später fand ich dann noch zwei kleine Zettel mit einer Nachricht von ihm, so daß wir uns keine Sorgen mehr zu machen brauchten.
Am nächsten Morgen machten wir zurückgebliebenen Drei, Oliver, Herbert und ich noch eine weitere Tour in die Schneevulkanhalle. Ich wollte diesmal über die prachtvolle Eiswand am Hallenrand hinunter in die altbekannten Teile der Schwarzmooskogelhöhle. Mit zwei Eisschrauben, die ins dicke Eis gedreht werden, ist die Befestigung des kurzen Seils kein Problem. Der Abstieg mit den Steigeisen war mehr Genuß als Gefahr. Unten kann man die Steigeisen gleich wieder ausziehen und ohne sie weiterlaufen. Zwischen der hohen facettenstrukturierten Eiswand und dem hellen Fels am Hallenrand ist ein breiter Gang freigeschmolzen, durch den man leicht weiterkommt. Eine Eiszunge wie von einem Gletscher hat sich in die alten, mit groben Versturzblöcken bedeckten Gänge hineingeschoben. Der Tunnel steigt leicht an. Bevor er in eine Halle mit zwei größeren Fortsetzungen ausmündet, zweigt rechts ein niedriger, mit kleinen Schuttbrocken teilweise gefüllter Gang ab. Kräftiger Luftzug war zu fühlen. Nach wenigen Metern ging es nicht mehr weiter. Ein Schacht tat sich auf. Er sah gut aus, schien nicht allzu tief zu sein. Seine Befahrung schien aber nicht ungefährlich, weil viele lose Steine herumlagen, die schon bei der kleinsten Bewegung nach unten fielen. Material-, Zeit- und Lustmangel ließen uns das Unternehmen auf ein andermal verschieben.
Um 2:00 Uhr nachmittags erst packten wir drei zusammen, stiegen die steilen, glatten Karrenwände hinauf, zwängten uns durch die Latschengassen hinauf zur Weißen Warze und hinab wieder zum Stögerweg. Endlos kam mir an diesem Tag der Rest des Weges bis zum Parkplatz vor. Auf einmal begegneten wir Willi. Er hatte den ganzen Tag für den Rückweg gebraucht. Immer wieder war er in die Irre gegangen, hatte sich mühsam durch den grünen Latschendschungel kämpfen müssen. Im Lichte der untergehenden Sonne genossen wir am Ende auf der Terrasse vor der Loserhütte eine schwer verdiente, frisch gezapfte Halbe Bier.
Vom 11 bis zum 13 November fand unsere letzte Tour für dieses Jahr statt. Ursprünglich wollten wir nur als ganz kleine Mannschaft losfahren, Reinhard Wagner, Wilfried Lorenz, Manfred Schätzl und ich. Am Ende waren es jedoch 10 Höhlenforscher aus München und Nürnberg, und auf weitere 10 Ausseer Höhlenforscher trafen wir bei der Höhle. Die Einsamkeit und Ruhe, die früher das Kennzeichen dieses Gebietes gewesen sind, scheinen leider rummelplatzartigen Zuständen zu weichen.
Das einstige "Paradies" hat eine Menge Kratzer, langsam. Der barbarischte Eingriff geht, wenn die Information richtig ist, auf des Konto von Gunther Limberger. Er ist den mit kleinen Steinmännchen gekennzeichneten Steig entlang gegangen und hat an zahllosen Stellen mit knallroter Sprühfarbe handtellergroße Flecken und halbmetermessende Pfeile dekorativ angebracht. Alle, die die ursprünglichen Zustände noch kennenlernen durften, waren schockiert.
Ich habe sofort reagiert und stellenweise mit irgendeinem herumliegenden Felsbrocken mühsamst einige dieser Punkte Stückchen für Stückchen wieder weggeschlagen. Das Ffft aus der Spraydose ist nur mit zehnfachem Aufwand wieder korrigierbar. Trotzdem, ein solch selten gewordenes Gebiet lohnt solchen Einsatz.
Im Hintergrund steht auch die Angst, daß aus der Schwarzmooskogeleishöhle doch noch eines Tages eine kommerzialisierte Höhle werden könnte. Schließlich gibt es ja ganz handfeste finanzielle Interessen, die sich für die Loser-Panoramastraße neue Attraktivität versprechen würden, wenn es da oben eine einzigartige Sehenswürdigkeit zu sehen gäbe. Hoffentlich kommt es nie soweit.
Das Ziel dieser Tour war Neuforschung und Vermessung. Beim letzten Male hatte ich am Rückweg vom Eingang "d" zum Haupteingang beim Portal 3 eine Felswand erklommen, war über ein Grasband ca. 50 m hinaufgeklettert und endlich beim mächtigen, bis dahin noch nicht gefunden gewesenen Schacht über der Schneevulkanhalle angekommen. Dieser neue Schacht, Eingang "e", wurde von uns als erstes Ziel angegangen. Um den Abstieg zur Portalreihe und den anschließenden Aufstieg einzusparen, versuchte ich, einen Weg für unsere Gruppe oberhalb der senkrecht abfallenden "Höhlengrube" zu finden. Das Ergebnis war umwerfend. Noch nie war einer von uns offenbar hier gequert. Sofort stießen wir auf die "Durchgangshöhle", einen bis 8 m hohen Spalt, der nach 15 m auf der anderen Seite wieder in einen Felskessel ausmündet und vermutlich nur noch den Rest eines ehemals geschlossenen Höhleraums darstellt. Mitten im Durchgang war wieder einmal kein Boden mehr zu sehen, Ein blitzsauberer Schacht mit Luftzug führt hier in die Tiefe. Vermutlich mündet auch er in den darunterliegenden Hauptgang der Schwarzmooskogeleishöhle.
Das steile Gelände zwang zum Ausweichen nach oben, wo es flacher wurde. Über breite Felsbänder ließen sich alle schwierigen Stellen leicht meistern. 10 m tiefer bewegten sich Grasbüschel im Wind. Ob es da eine versteckte Höhlenoffnung gab? Ich stieg hinunter und stand vor dem nächsten großen Portal, das in einen Schacht hineinführt. 30 m weiter kam schon wieder ein Canyon, der auch bewettert war, und, den hinuntergeworfenen Steinen nach zu urteilen, tief hinab führt. 3 neue Höhlen in 10 Minuten.
Beim großen Eingangsschacht kam es zu einer richtigen Stauung, da alle auf einmal hinunter wollten. Wilfried und mir wurlte es zu sehr. Wir beschlossen, lieber eine Suchtour in der Umgebung zu machen. 50 m nördlich fanden wir den ersten 7×7m Durchmesser aufweisenden Schacht, der bis zu einem Felspodest in 10m Tiefe einsehbar war.
Links darüber, etwa 30 m entfernt, am Fuße einer Felswand, fand ich Bodeneis. Zwischen den Blöcken darüber war ein kleines Loch freigeblieben. Ich wartete zuerste auf Wilfried, damit wir zusammen in den steil abwärts führenden Raum hinunterklettern konnten. Mehrere Canyons münden hier zusammen und schienen auf einen Trichter bei der Hallenrückwand zuzulaufen. Ich kroch hinunter, schob einige Felsen beiseite, sah einen verblockten Schluf und fühlte den leichten Luftzug. Als die Graberei zu mühsam wurde, gab ich auf. Oberhalb setzte ein horizontaler Kriechgang an. Wilfried kroch voraus und kam bis zu einer Verzweigung, wo mehrere noch kleinere Zubringergänger zusammenführten. Wir waren in eines der vielen kleinen Zubringersysteme eingedrungen, die es am Schwarzmooskogel zuhauf gibt. Einen abgebrochenen Tropfsteinstumpf fanden wir hier auch noch im unberührten Lehmboden. Knapp 50 m Gesamtlänge dürfte diese kleine Höhle haben.
Weiter ging unsere Höhlensuche. Ich steuerte auf die große Abschlußwand des Felskessels zu Füßen des Vorderen Schwarzmooskogels zu. Kleine dunkle Öffnungen waren da zu sehen. Leider sind sie alle vollständig mit Schutt zugestopft. In einem vorspringenden Rücken schaute dafür ein 8 m breites und 2 m hohes Höhlenportal herüber.
Ein Tunnel nahm mich auf. Abwärts ging es in eine 10 m breite und 20 m lange Halle. Am drüberen Ende kam wieder Tageslicht durch eine kleine runde Öffnung herein. Der Tunnel wendete sich nach links und endete 20 m weiter bei einem Versturz, der bis zur Decke reichte. Am tiefsten Punkt der Halle fand ich zuletzt doch noch einen kleinen Schacht zwischen den Blöcken, der nach Augenschein in einen rechtwinklig zum bisherigen System abknickenden Gang hineinführte. Da ich allein war, unterließ ich lieber weitere Vorstöße und kehrte um.
Auf der anderen Seite des Bergrückens, in dem der "Harnischtunnel" liegt, fand ich noch die vermutliche Fortsetzung des Hauptgangs, eine kleine Halle mit 10 m Durchmesser. Nur wenige Meter ist das "Himmelsloch" entfernt, eine Höhlenruine mit einem großen Deckenfenster. Es wurde Zeit, wieder umzukehren. Tiefe Gruben, überhängende Felswände und Latschendickicht machten es jedoch ziemlich schwierig, zum Eingang "e", dem großen Schacht, zurückzukommen.
Die Kameraden waren längst in der Tiefe des Schachts verschwunden. Nur Wilfried und ich waren noch da. Das Wetter war so herrlich, daß wir erst einmal die neu gefundenen Objekte an die Gesamtaußenvermessung der Schwarzmooskogeleishöhle anschließen wollten. Beim Schacht mit der großen Eingangsöffnung war schnell eine Sanduhr für das 20-m-Seil gefunden, ich seilte mich zuerst ab und stand 11 m tiefer auf der großflächigen Schachtsohle. Von links sah ich Tageslicht aus einem nahegelegenen Schacht hereinschimmern. Eine glatte Schichtfläche bildete die geneigte Höhlendecke. Ein Schacht führte ihr entlang noch weitere 15 m in die Tiefe. Wilfried stieg nun voran und kam in eine hohe Halle hinein. Am Schachtfußpunkt setzt ein mannshoher Gang an, der aber leider nach wenigen Metern schon an einer Pfütze endet. Nach den schwarzen Blättern, die auf der Höhlensohle herumliegen, heißt die Höhle jetzt "Schwarzlaubhöhle".
Auch die anderen beiden Höhlen wurden von uns noch an die Gesamtvermessung drangehängt. Im "Harnischtunnel" stiegen wir in den Seitengang ab und stießen auf eine bemerkenswert kalte Halle mit Eisboden und Eisfiguren. Leider führte keiner der kurzen Schlufe, die allseits abzweigen, noch weiter. Die Vermessung ergab knapp über 50 m Gesamtganglänge.
Es wurde schon dunkel, als wir zwei endlich in die Schwarzmooskogeleishöhle einstiegen. Der "Königsschacht" war ja noch zu vermessen, und wir begannen sofort damit. Das 30-m-Maßband reichte gerade bis zum ersten Schneeabsatz. Von dort geht noch einmal 10 m, vorbei an einem großen runden Schneeloch, hinunter bis zum Einstiegspunkt in die Schneevulkanhalle.
In der Halle trafen wir einen begeisterten Oliver. Er erzählte, was in der Zwischenzeit von den anderen entdeckt worden war. Der kleine Schacht im alten Teil der Schwarzmooskogelhöhle hatte in eine gewaltige Fortsetzung hineingeführt. Von diesen Forschungen wird Reinhard in einem eigenen Bericht für den SCHLAZ berichten. Zum Schluß machten Wilfried und ich noch einige Aufnahmen von der Großen Eiswand und verließen dann, schwer bepackt mit drei großen Schliefsäcken, als letzte durch den Schluf die Höhle wieder.
Was uns draußen erwartete, war ein Trauerspiel. Rote Punkte und ein 50 cm großer roter Pfeil, ein österreichisches Wurstpapier und, gewissermaßen als Krönung der ganzen Sauerei, fanden wir direckt am Eingang die weggeworfene, fast leere Lackspühdose. In der Höhle hatte ich noch in Silberpapier eingewickelten Kaugummi und lange schwarze Schnürsenkel gefunden.
Auch unsere "Reliquie", das hölzerne Brennerbeserl hinter dem Eingangsschluf, hat es erwischt. Es ist weg.
Wir hatten uns immer bemüht, so wenig als möglich in dieser prachtvollen Höhle zu verändern, "sanftes Höhlenforschen" zu praktizieren. Leider haben sich wohl einige unserer Höhlenforscherkollegen nicht daran gehalten und anschaulich gezeigt, wie man innerhalb kürzester Zeit ein Naturdenkmal zurichten kann. Jammern hilft nichts. Ich halte mehr von der Wirkung von Vorbildern. Deshalb habe ich einfach alles wieder eingesammelt und mitgenommen. Vielleicht gibt auch der Mitnehmer des Brennerbeserl dieses wieder zurück. Es ist ein einmaliges Dokument für die Erforschungsgeschichte der Höhle!
Am Abend im Biwak ging es sehr knapp her. Zehn Leiber suchten und fanden schließlich einen Schlafplatz.
In 3 Gruppen spalteten wir uns am nächsten Morgen auf. Oliver führte eine kleine Gruppe zu dem Schacht am Zustiegsweg zur Schwarzmooskogeleishöhle in der Umgebung der Weißen Warze. Leider gab es dort keinen Erfolg, da keine Fortsetzungen unten zu finden waren. Wilfried vermaß mit einer Gruppe an der Oberfläche die Verbindung Portal 2 - Eingang "e".
Ich führte Reinhard, Manfred und einen Nürnberger zur Lamperlhöhle. Reinhard setzte erst noch einen sicheren Spit. Dann war der Weg offen in der 25-m-Schacht, der direkt in den Südteil der Schwarzmooskogeleishöhle führt. Da die Zeit knapp war, schauten wir uns hier gar nicht mehr viel um, sondern strebten gleich auf die von mir im August gefundene Fortsetzung in den verstürzten Teilen zu. Fühlbar strich die kalte Luft aus den niedrigen, mit Schutt zum größten Teil verfüllten Gängen heraus. Wir krochen bis zum Schacht. An einer Sanduhr wurde das Seil festgemacht. Reinhard steigt als erster hinunter. 5 m tiefer ist ein Zwischenboden. Ich folge nach. Ein weitere Schacht, der in einen größeren Raum hinunterführt, setzt hier an. Reinhard klettert zu einer Sanduhr über dem Abbruch hinauf, bringt dort eine lange grüne Reepschnur als Zwischenbefestigung an, mit einem Karabiner wird das Abstiegsseil eingehängt, weiter geht es. Erst Reinhard, dann ich, dann die anderen.
Eine schuttgefüllte Halle mit mehreren kleinen Löchern an den Seiten wird erreicht. Ein Canyon scheint weiterzuführen. Leider enden alle Fortsetzungen nach wenigen Metern an glatten Felswänden. Eine schön Entdeckung gelingt noch. Das aggressive Wasser hat aus den Felsen die Versteinerungen so herauspräpariert, daß nun auf einigen Felsen zündholzlange verdrehte Stäbchen herausragen und an anderen Stellen fast vollständige Muscheln zu sehen sind. Wir ziehen uns wieder zurück.
Um 12:00 verlassen wir den Biwakplatz am Höhleneingang, 1½ Stunden später sind wir am Parkplatz, um 2:00 sitzen wir beim Bier in der Loserhütte. Der Gaisberger Karl ist auch da. Wir unterhalten uns mit ihm, wie es weitergehen soll. Er hatte das Gefühl, wir hätten die Ausseer von unseren Unternehmungen zu wenig informiert, weshalb vereinbart wurde, daß jede Tour in Zunkunft ihm rechtzeitig mindestens telefonisch gemeldet wird (Tel. 06153/2262). Wir hatten das bisher immer schriftlich gemacht. Diese Mitteilungen scheinen jedoch intern im Verein der Ausseer Kameraden irgendwo versickert zu sein. Wilfried bekam den Originalplan der Höhle, damit er die neuen Entdeckungen ergänzen kann. Bis wir kamen, war die Höhle ca. 1600 m lang, heute dürften es 2,5 km sein, das Traumziel ist die Riesenhöhle.